Was bedeutet es, ADHS zu haben?

Kind mit ADHS - Symbolfoto

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist weit mehr als nur ein Problem der Konzentration und Impulsivität. Es stellt eine neurologische Besonderheit dar, die nicht nur Herausforderungen, sondern auch außergewöhnliche Fähigkeiten mit sich bringt. Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten in den Bereichen Konzentration, Zeitmanagement und Impulsivität, gleichzeitig jedoch auch ein enormes kreatives Potenzial und die Fähigkeit zur tiefen Konzentration.

ADHS im Wandel der Zeit

Früher wurde ADHS primär bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert. Heutzutage weiß man jedoch, dass viele Menschen auch als Erwachsene noch Symptome zeigen. Die Diagnose bei Erwachsenen hat zugenommen, so berichtet Astrid Neuy-Lobkowicz, Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie und Mitbegründerin des ADHS-Zentrums München. In ihrem Buch „Weibliche AD(H)S“, das kürzlich im Kösel-Verlag erschienen ist, schildert sie, wie sie und drei ihrer fünf Kinder selbst betroffen sind.

Alles zur ADHS Diagnose

Genetische Grundlagen und Symptome

ADHS hat oft eine genetische Basis. „ADHS ist eine neurobiologische Besonderheit, die vererbt wird; niemand trägt daran Schuld,” betont Neuy-Lobkowicz. Auch Kinder in Pflege- oder Adoptivfamilien können ADHS haben. Ursachen wie Frühgeburten, Mangelgeburten oder schwierige Schwangerschaften können ebenfalls zum Syndrom führen. Es ist wichtig, ADHS wertfrei zu betrachten – es geht um Neurodiversität und ein anderes Profil von Stärken und Schwächen.

Die Hauptsymptome umfassen:

  • Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf Aufgaben zu fokussieren.
  • Reizüberflutung: Leichte Ablenkbarkeit durch externe Reize.
  • Hyperfokus: Extremes Eintauchen in bestimmte Aufgaben, die besonders interessieren.

„Menschen mit ADHS können sich sehr tief auf etwas konzentrieren, das sie interessiert, aber haben Schwierigkeiten, sich auf uninteressante Aufgaben zu fokussieren,” erklärt Neuy-Lobkowicz.

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Mädchen und Junge mit ADHS, mit negativem Gesichtsausdruck

Emotionale Empfindsamkeit und Geschlechterunterschiede

Empfindlichkeit und starke emotionale Reaktionen auf Kritik sind weitere typische Symptome. Betroffene reagieren oft impulsiv oder manchmal sogar aggressiv. Diese Symptome können sich bei Männern und Frauen unterschiedlich äußern – Männer neigen zu Hyperaktivität, während Frauen oft unaufmerksam und verträumt erscheinen. Viele Frauen erhalten die Diagnose erst im Erwachsenenalter.

ADHS Erwachsenen

Alltagshürden und Berufsleben

ADHS kann im Alltag und Berufsleben zu erheblichen Problemen führen, besonders aufgrund von Schwierigkeiten mit Selbststeuerung, Planung und Zeitwahrnehmung. „Sie leben im Hier und Jetzt und haben oft ein schlechtes Zeitgefühl,“ so Neuy-Lobkowicz. Das kann insbesondere im Beruf zu Herausforderungen führen, wenn es um das Einhalten von Fristen und das Priorisieren von Aufgaben geht.

ADHS Behandlung - Symbolfoto

Behandlung und Unterstützung

Die ADHS Diagnose stützt sich auf Symptome und Verhaltensweisen im Lebensverlauf, da es keine eindeutigen Biomarker oder Labortests für ADHS gibt. Behandlungsstrategien zielen oft auf die Erhöhung des Dopaminspiegels im Gehirn ab.

Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören:

  • Medikamentöse Therapie: Medikamente können die Konzentration und Selbststeuerung verbessern.
  • Verhaltenstherapie: Entwickelt Strategien zur Bewältigung des Alltags.
  • Psychoedukation: Vermittlung von Wissen über ADHS und dessen Auswirkungen.

Psychotherapie

Psychotherapie allein kann die neurobiologische Grundlage von ADHS nicht beeinflussen, aber eine Kombination aus Medikamenten und Psychoedukation unterstützt Betroffene dabei, ihre Stärken zu nutzen und Herausforderungen zu meistern.

„Der Hyperfokus ist auch eine Superkraft,” sagt Neuy-Lobkowicz. Mit Verständnis und Unterstützung können Menschen mit ADHS ihre besonderen Talente entfalten und erfolgreich mit den Herausforderungen ihres Alltags umgehen.

Lebensqualität und Unterstützungssysteme

Die Lebensqualität Betroffener kann sich durch ein unterstützendes Umfeld und gezielte Maßnahmen erheblich verbessern. Schulen, Arbeitgeber und Familien können viel dazu beitragen, indem sie Verständnis zeigen und Unterstützung bieten.

Einige der wichtigsten Unterstützungsmaßnahmen umfassen:

  • Individuelle Bildungspläne: Anpassung der schulischen Anforderungen an die Bedürfnisse der Schüler.
  • Arbeitsplatzanpassungen: Flexibles Arbeiten, klare Strukturen und Unterstützung durch Kollegen.
  • Soziale Unterstützung: Emotionale Unterstützung durch Familie und Freunde.

Zusammenfassung

ADHS ist eine komplexe und vielschichtige Störung, die sowohl Herausforderungen als auch besondere Fähigkeiten mit sich bringt. Mit der richtigen Unterstützung und Behandlung können Betroffene ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen. Die Akzeptanz von Neurodiversität und das Verständnis für die individuellen Bedürfnisse und Stärken von Menschen mit ADHS sind Schlüssel, um das volle Potenzial jedes Einzelnen zu entfalten.

Wenn Sie mehr über ADHS erfahren möchten oder selbst betroffen sind, besuchen Sie unser ADHS Forum und tauschen Sie sich gerne mit anderen aus.

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